Berufe im Mittelalter
Von Jan Oliver Zilker · zuletzt aktualisiert: 13.02.2023
20 Min. Lesedauer
Das mittelhochdeutsche Wort „beruof“ stand für "Leumund", die heutige Bedeutung Berufung/Erwerbstätigkeit entstand erst in der Neuzeit. Zu Beginn des Mittelalters hatten die wenigsten Berufe eine alte Tradition, was sich durch die zunehmende Arbeitsteilung im Hochmittelalter schnell änderte. Verschiedenste Handwerke, Gewerbe, kaufmännische und gelehrte Berufe und Verwaltungsämter, die jeweils eine feste Position in der hierarchischen Gesellschaftsordnung innehatten. Die Zünfte stabilisierten durch zünftische Vorschriften diese Ordnung, genauso wie durch die kirchliche Lehre von der gottgewollten ständischen Ordnung.
Diese Ordnung geriet schließlich im Spätmittelalter ins Wanken. In immer mehr Berufszweigen wurden Frauen eigenverantwortlich tätig, Müller wurden „zunftfähig“ (zuvor ein „unehrlicher“ Beruf), Handwerker wurden Kaufleute, Bauern entwickelten ein rebellisches Selbstbewusstsein und vieles mehr…
Zu Beginn des Mittelalters lebte der größte Teil der Bevölkerung auf dem Land. Diese Menschen waren meist als Bauern tätig. Die Höfe arbeiteten zur Selbstversorgung und auch die Einrichtungen der einfachen Unterkünfte spiegelten dies wieder. Alles wurde wenn möglich selbst möglichst einfach handwerklich hergestellt. Allgemein gab es viele Berufe, die uns heute nicht mehr geläufig sind, anderen haben ihren Ursprung im Mittelalter, die bis heute existieren.
Angesehene Berufe im Mittelalter
Die wichtigsten Berufe im Mittelalter waren in der Landwirtschaft zu finden. Vor allem im Frühmittelalter war die Landwirtschaft die Lebensgrundlage für die Bevölkerung, weswegen auch der größte Anteil auf dem Land wohnte und wirkte. Waren zuvor Burgen mit deren umliegenden Bauern solche Zentren der Wirtschaft, verlagerte sich die wirtschaftliche Bedeutung im Laufe des Mittelalters zu den Städten. Im ausgehenden Hochmittelalter wurden Städte durch die voranschreitende Spezialisierung der Berufe zu Wirtschaftsfaktoren. Kaufleute siedelten sich dort an, hochspezialisierte Handwerker eröffneten Ihre Werkstätten und der Handel mit seltenen Waren förderte den Reichtum der Städte.
Liste mittelalterlicher Berufe:
Bäcker, Bader, Bauer, Beutler, Böttcher, Buchbinder, Drechsler, Falkner, Gaukler, Gerber, Gesinde, Gewandschneider, Handschuhmacher, Hebamme, Horbmeister, Kleriker, Korbflechter, Köhler, Kuderwanner, Küfner, Markscheider, Marschall, Maurer, Mönch, Müller, Pechkratzer, Plattner, Ritter, Schneider, Schmied, Seifensieder, Seiler, Stadtbauer, Steinmetz, Tischler, Töpfer, Wollschläger, Zeidler, Zimmerleute, Zinngießer und viele mehr…
Steinmetz im Mittelalter
Steinmetz (mittelhochdeutsch auch: steinman, -meister oder -würke).
Das Handwerk fusste auf dem frühmittelalterlichen Baubetrieb im klösterlichen Umfeld, welches sich dann im Hochmittelalter auf den profanen Bereich ausdehnte und sich zu dem wirklichen Steinmetzhandwerk entwickelte, wie wir es heute kennen. Es ist seitdem auf das exakte Behauen und die künstlerische Gestaltung von Steinquadern spezialisiert.
In den Bauhütten kirchlicher Großbaustellen organisierten sich die Steinmetze in Bruderschaften, die in Städten sesshaften schlossen sich in Zünften zusammen. Ein geregeltes Lehrlingswesen ist erst seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen, womit man auch erst von da an wirklich vom Beruf des Steinmetzes im Mittelalter sprechen kann. Das Alter eines Lehrlings sollte mindestens 14 Jahre betragen, die Lehrzeit dauerte im Bauhüttenwesen bis zu 6 Jahren, in den städtischen Zünften 3 Jahre, und wurde meist ohne Prüfung abgeschlossen. Anschließend war eine einjährige Wanderschaft üblich, während der die Gesellen sich weiterbilden sollten. Eine Meisterprüfung war, zumindest an den Hütten, nicht vorgesehen. Auf eine freie Meisterstelle mussten sich die Gesellen einfach nur bewerben und erlangten mit der Berufung die Meisterwürde.
Steinmetze genossen ein hohes Ansehen, vor allem auch wegen ihrer hohen Entlohnung (Tagelohn oder Stücklohn). Laut Quellen des 15. Jh. betrug der Lohn eines Steinmetzen das vierfache dessen eines Schlossers und das achtfache dessen eines Schneiders.
Ihren Lohn erhielten die mittelalterlichen Steinmetze zum einen Teil in Geld, zum anderen Teil in Naturalien (Wein, Bier, Brot, Käse, Salz, Feuerholz etc.).
Handwerker im Mittelalter
Handwerker (mittelhochdeutsch hantwercman, hantworhte).
Im Frühmittelalter produzierte die fast ausschließlich bäuerliche Gesellschaft ihre Bedarfsgüter selbst. Handwerkliche Spezialisten wurden zwar schon an den frühmittelalterlichen Königshöfen sowie an den Klöstern gefördert, im bäuerlichen Bereich wurde das Handwerk jedoch bis weit über das Ende des Mittelalter hinaus stets als Nebenerwerb neben der Feld- und Viehwirtschaft betrieben. In den römischen Städten hatte sich die Glasmacherei oder der Steinbau erhalten. Mittelalterliche Handwerksberufe auszuführen bedeutete nicht, dass der Handwerker etwa frei war, sondern er war vielmehr unfrei. Dessen Herr war der Grundherr (ob geistlich oder weltlich) für den der Handwerker tätig war.
Die Stellung besserte sich schließlich durch die Entwicklung der Städte vom 12. Jahrhundert an, was den mittelalterlichen Handwerksberufen ermöglichte für den freien Markt zu arbeiten. So lösten sie sich schließlich von der Hörigkeit und spezialisierten sich entsprechend der zunehmend komplexeren Gesellschaft.
Im Jahr 1363 in Nürnberg gab es bereits 50 Handwerke mit 1.216 Meistern, am Ende des 15. Jh. zählte man dort an 400 verschiedene Handwerkszweige.
Frauenberufe im Mittelalter
Im Frühmittelalter wurden fast alle Textilarbeiten vom Spinnen bis zum Kleidernähen von Frauen erbracht. Aber auch das ganze Mittelalter über arbeiteten Frauen an der Seite ihrer Männer, zum späten Mittelalter hin, dann auch zunehmend selbstständig. Typische Berufe für Frauen auf der Burg waren auch Textilarbeiten, sowohl vom Gesinde als auch von adeligen Damen. In der Dienerschaft, bei den Wäscherinnen, für Mägde und in der Küche gab es stets viel Arbeit für Frauen.
Für sie ergaben sich auch durch das Aufblühen der Städte und des Stadtbürgertums neue Möglichkeiten. Als Hilfsarbeiterinnen in handwerklichen Betrieben fanden Frauen aus der Unterschicht ein auskommen. Städtische Bürgerinnen konnten ein Handwerk sogar frei ausüben oder eigene Zünfte gründen. Da Zünfte zur Wehrbereitschaft herangezogen wurden, konnten Frauen gegen Ernennung eines Stellvertreters bzw. gegen Geldzahlungen davon befreit werden.
Aus der Zeit zwischen 1350 und 1460 finden sich in Frankfurter Urkunden u.a. die folgenden Frauenhandwerke:
Bändlerin, Bettebereiterin, Besenmacherin, Beutelmacherin, Bortenwirkerin, Flickschneiderin, Hosenstrickerin, Hudelstrickerin (Hudel = Hadern), Hutmacherin, Kämmerin, Kerzenmacherin, Korbmacherin, Kürschnerin, Leinenweberin, Mantelmacherin, Mattenmacherin, Näherin, Radspinnerin, Schleierwäscherin, Schneiderin, Schnurmacherin, Spinnerin, Spulerin, Tuchschererin, Wäscherin, Weberin, Wirkerin. Andernorts gab es auch Garnmacherinnen, Goldspinnerinnen, Goldschlägerinnen, Gürtlerinnen, Paternostermacherinnen (Paternoster = ältere Bez. für Rosenkranz), Lohgerberinnen, Seidenspinnerinnen, Schleierwirkerinnen, Stickerinnen und viele weitere mehr.
Anscheinend gab es keine selbständige Bäckermeisterinnen, Frauen besorgten aber wohl die Hauptarbeit im Bäckerhandwerk und die meisten Bäcker waren auch weiblich. Sie übernahmen auch die Hauptarbeit in Lebkuchen-, Pasteten- und Kuchenbäckereien. Aus den Lohnlisten mittelalterlicher Großbaustellen ist auch zu erfahren, dass ein großer Anteil der Hilfsarbeiten von Frauen geleistet wurden.
Unbeliebte Berufe im Mittelalter
Berufe kamen als solches erst im Spätmittelalter auf. Zu Beginn des Mittelalters verdingten sich die Menschen mit dem was sie durch ihrer Hände Werk bewerkstelligen konnten. Alle Tätigkeiten, die mit Fäkalien, dem Gerben von Leder, zerlegen von Tieren oder der Bestrafung und Hinrichtung von Delinquenten zu tun hatte waren äußerst unbeliebt im Mittelalter. Diesen Tätigkeiten gingen die Menschen der damaligen Zeit nur im äußersten Notfall nach um zu überleben.
Im Mittelalter herrschte ein Standessystem. Jedem war anhand der Kleidung und seiner Tätigkeit sofort anzusehen welcher Schicht die Person angehörte. Z.B. Fingerhandschuhe durften nur Adelige tragen. Außerdem wurden viele Berufe durch Andichtungen und Verleumdungen in Verruf gebracht. So wurde dem Müller nachgesagt, er würde die Bauern während des Mahlens das Getreides bestehlen, der Hirte würde Sodomie mit seinen Schafen betreiben, der Totengräber seinen Ofen mit dem Holz ausgegrabener Särge befeuern würde und vieles mehr.
Umso geringer der Stand der Schicht der man im Mittelalter angehörte, meist umso geringer das Ansehen der Berufe die sie ausüben mussten. Es war meist nicht freiwillig, sondern nötiges Übel um ein Einkommen zu haben.
Eine Liste mit Berufen aus dem Mittelalter, die es heute nicht mehr gibt, sind unter anderem:
- Türmer
- Küfner
- Köhler
- Böttcher
- Goldgräber
- Sarwürker
- Plattner und viele mehr...
Die meisten Menschen waren Bauern
Grundsätzlich bestand die größte Bevölkerungsschicht im Mittelalter aus Bauern. Für 90% der Menschen war also die bäuerliche Arbeit alltagsbestimmend. Es gab unfreie-, halbfreie und freie Bauern. Für die ersten beiden bedeutete es, dass sie völlig abhängig von Ihrem Grundherren gewesen sind. Nur ein Freibauer konnte seinen Wohnort, seine Arbeitsverhältnisse und die Wahl seiner Ehegatten selbst bestimmen. Allerdings waren sie ihrem Landesherren zu Steuerabgaben und Kriegsdienst verpflichtet. Diesen Sonderstatus hatten natürlich nur wenige und waren meist die wohlhabendsten Menschen des Dorfes.
Obwohl die Bauern durch ihre harte Arbeit die Lebensgrundlage für alle Menschen im Mittelalter erwirtschafteten, war ihre Arbeit nicht sehr angesehen. Körperliche Arbeit war allgemein nicht hoch angesehen im Mittelalter und die eines Bauern am geringsten. Die höhergestellten Stände, der Klerus und der Adel, machten schon alleine mit ihrer Kleidung deutlich, dass sie nicht zu arbeiten hatten.
Der Arbeitsalltag eines Bauern war hart und lang. Er begann mit Sonnenaufgang und endete mit der Dämmerung. Im Frühmittelalter lag die Lebenserwartung der Bauern bei nur ca. 25 Jahren, was sich dann bis zum Spätmittelalter durch technische und medizinische Errungenschaften langsam auf 50 Jahre erhöhte.
Unehrliche Berufe im Mittelalter
Unehrlich bedeutete die Zugehörigkeit zu einer verfemten Berufsgruppe. Dadurch war man ein Rechtloser, und konnte deswegen nicht Richter, Urteiler oder Zeuge sein, hatten kein Vormundschaftsrecht und keinen Zugang zu städtischen Ämtern oder Zünften, man war lehnsunfähig und hatten kein Recht auf eigenen Grund und Boden, durften keine Waffen tragen (Mit Ausnahme des Henkers). Wirtshäuser durften diese Personen nur betreten, solange keiner der Gäste Einwand erhob; von öffentlichen Festen waren sie ausgeschlossen. Körperlichen Kontakt mit ehrbaren Leuten hatten sie zu meiden, da schon Berührungskontakt – und sei er auch ungewollt – ausreichte, um den Betroffenen unehrlich zu machen.
Den unehrlichen Berufen wurden zugerechnet:
Henker und deren Knechte, Totengräber, Abdecker (Schinder), Hundeschläger, Fellpflücker, Büttel, Zöllner, Türmer und Nachtwächter, Bader und Barbiere, Müller, Schäfer, Holz- und Feldhüter, Marktschreier, Gaukler, Spielleute, Bettler und Prostituierte.
Als unehrliche Berufe, die außerhalb einer geschlossenen Siedlung ausgeübt wurden oder sich "für Geld zu eigen gaben". Auch an der Verrufung von Spielleuten, Schäfern und Henkern war die Kirche maßgeblich beteiligt.
Der Henker
Henker (mittelhochdeutsch henger, henker [erstmals erwähnt in Augsburg, 1276], althochdeutsch henken = jemanden [am Galgen] aufhängen)
Im Frühmittelalter war eine Hinrichtung Sache der Klagepartei oder deren Schergen. Ab dem 13. Jahrhundert nahm die Verhängung von Leib- und Lebensstrafen massiv zu. Deswegen ging das Amt des Henkers vom Fronboten/Schergen an einen professionalisierten Scharfrichter über. Dazu wurden zum Vollzug der peinlichen Befragung, der Züchtigungs- und Todesstrafe Leute niederen Standes, teilweise auch Fahrende, Zigeuner oder Gaukler angestellt.
Erste urkundliche Erwähnung eines professionellen Henkers findet sich im Augsburger Stadtbuch für 1276. Das professionalisierte Scharfrichter-Handwerk erforderte eine intensive Ausbildung, die meist schon früh begonnen und gelegentlich schon im Alter von 16 Jahren mit der Meisterprüfung abgeschlossen wurde. Dabei mussten Fertigkeiten in diversen Verstümmelungs-, Folterungs-, und Tötungsarten erlernt werden. Zusätzlich mussten aber auch die Versorgung der durch Folter angerichteten Schäden (Brandwunden, Verrenkungen und Frakturen) nachgewiesen werden. Entweder wurde er je nach erfolgter Dienstleistung (Hinrichtungen, Körperstrafen oder Folterungen) oder je nach Dienstzeit als Festbezug (Jahres-, Quartals-, Wochengehalt) bezahlt. Dazu kamen Nebeneinkünfte aus medizinischen Dienstleistungen, aus Anteil an der Habe eines Hingerichteten sowie Vergünstigungen bei Unterbringung in einer Dienstwohnung und Naturalien wie Feuerholz oder Korn. Henker hatten sich durch auffällige Sonderkleidung oder Abzeichen kenntlich zu machen und verfielen alsbald der Verfemung. Dadurch wurden sie von Kommunion, kirchlicher Trauung und christlichem Begräbnis ausgeschlossen.
War er einmal für unehrlich erklärt, wurden dem Henker auch andere niedere Dienste aufgetragen: Kadaver beseitigen, Latrinen leeren, Aussätzige aus der Stadt treiben, Dirnen beaufsichtigen, streunende Hunde fangen und ähnliches mehr. Er musste am Rande der Stadt oder sogar außerhalb dieser wohnen. Ehrbaren Bürgern musste er fernbleiben. Seiner heilkundlichen Fähigkeiten und anatomischen Kenntnisse wegen, wurde er als Sachkundiger gerne konsultiert.
Im Spätmittelalter wurde er nicht selten zum reichsten Mann der Stadt. Erkauften doch die geistlichen Terroristen sein Schweigen über ihr unsägliches Treiben oft und teuer genug.
Der Totengräber
Totengräber (mhd. totengraber, totengreber) - Bis etwa zum 13. Jh. wurden Leichenüberführung und Erdbestattung von den Angehörigen der Toten, von Zunftgenossen oder frommen durchgeführt.
In den Städten traten zuerst bezahlte Leichenträger und Totengräber auf, die als unehrliche Leute betrachtet wurden. Es wurden ihnen der Verkehr mit der Dämonenwelt und hexerische Künste angedichtet und dass sie sich an Grabbeigaben und an Kleidern der Toten bereicherten. Angeblich schürten sie ihren Herd mit dem Holz ausgegrabener Särge.
Weil natürlich im Mittelalter der Aberglaube sehr ausgeprägt war, verteufelte die Bevölkerung vieles was sie nicht verstand. Genauso für die Menschen der christliche Glaube eine absolute Realität darstellte, stand es außer Frage, das die Seele nach dem Tod im Fegefeuer auf ewig teuflischen Qualen ausgesetzt war, ins Paradies auferstand.
Da der Totengräber mit dem Tod in Verbindung gebracht wurde, hatte er ein Stigma und gehörte als Beruf den unehrlichen Berufen an.